DLR Astroseminar 2018

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.

in der Helmholtz-Gemeinschaft

Titelbild DLR-Astroseminar 2018

Die Veranstaltungen finden jeweils 15:30-17:00 Uhr
im Konferenzzentrum der Luftwaffe, Luftwaffenkaserne Wahn statt.
Über den Einlass auf das Kasernengelände und die Parkmöglichkeiten wird
rechtzeitig auf www.dlr.de informiert.
Anmeldungen bei Frau Petra Naoum (Ruf: 02203 / 601-3896) bzw. per E-Mail an: Petra. Naoum@dlr.de
Fragen und Hinweise zu den Themen des Astroseminars an Dr. Manfred Gaida (Ruf: 0228 / 447-417)

Themen und Terminübersicht
1. Das Neue, wie entsteht es? – Evolution oder Emergenz
Prof. Dr. Harald Lesch, Universität München
Donnerstag, 5. April 2018
2. Komplex und klein ‒ die Welt der Elementarteilchen
Prof. Dr. Gisela Anton, Universität Erlangen-Nürnberg
Dienstag, 10. April 2018
3. Atom- und Molekülphysik im Kontext der Entwicklung des Universums
Prof. Dr. Jürgen Stutzki, Universität Köln
Dienstag, 17. April 2018
4. Leuchtende und dunkle Strukturen des Kosmos
Prof. Dr. Volker Springel, Universität Heidelberg und HITS
Dienstag, 24. April 2018
5. Das Universum als Ganzes
Prof. Dr. Claus Kiefer Universität Köln
Dienstag, 8. Mai 2018
6. Der Mensch zwischen Mikro- und Makrokosmos
Prof. Dr. Hans-Joachim Blome
Fachhochschule Aachen Dienstag, 15. Mai 2018

1. Das Neue, wie entsteht es? – Evolution oder Emergenz
Prof. Dr. Harald Lesch, Universität München
5. April 2018
Instabilität ist die Voraussetzung für Neues. Neue Eigenschaften in natürlichen Systemen gibt es nur durch nicht mehr rückgängig zu machende Veränderungen. Diese Irreversibilität ist eine der zentralen Eigenschaften der Natur. Kein Moment gleicht dem anderen, jedes makroskopische System ist ein Ein-zelfall. Insofern ist unsere Vorstellung eines Kosmos als vorherrschendes Prinzip in der Natur falsch. Die Natur ist ein irreversibles, sich kontinuierlich selbst organisierendes System, dessen Gesetzlichkei-ten wir zwar in groben Zügen kennen, dessen Wechselspiel mit sich ständig verändernden Rand- und Anfangsbedingungen uns aber zu ganz neuen Perspektiven zwingt. Die Vorstellung einer starken Kau-salität alter deterministischer Tage des 19. und 20. Jahrhunderts hat uns Industrialisierung und globale Umweltkatastrophen gebracht, die sich in Schlagworten wie Anthropozän, Klimawandel und Ressour-cenende zuspitzt. Gerade die Physik als die Grundlage aller Naturwissenschaften hat längst begonnen, eine schwach kausale, nur mehr partiell deterministische, systemisch-organische Sicht auf die Natur und ihre Beziehung zum und mit dem Menschen zu entwickeln. Doch ist das weder in Politik und Wirtschaft noch in der Philosophie bis heute so richtig angekommen.

Professor Dr. Harald Lesch ist Astrophysiker, Naturphilosoph, Wissenschaftsjournalist, Fernsehmoderator und Professor für Physik an der LMU München und für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München.Nach seinem Abitur 1978 studierte er Physik und als Nebenfach Philosophie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, später an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er 1984 sein Diplomstudium mit einer Arbeit zum Thema. „Sonnenwind-Wechselwirkung mit dem interstellaren Medium“ abschloss. 1987 wurde er mit einer am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) angefertigten Dissertation über „Nichtlineare Plasmaprozesse in aktiven galaktischen Kernen“ zum Dr. rer. nat. promoviert. Zwischen 1988 und 1991 war Lesch Forschungsassistent an der Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl. Von 1991 bis 1995 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIfR in Bonn; 1992 war er Gastprofessor an der University of Toronto. 1994 habilitierte er sich an der Universität Bonn mit einer Schrift zum Thema „Galaktische Dynamik und Magnetfelder“.Seit 1994 ist Harald Lesch Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik an/bei der Universitätssternwarte der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zudem unterrichtet er Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München. Seine Hauptforschungsgebiete sind kosmische Plasmaphysik, Schwarze Löcher und Neutronensterne. Er ist Fachgutachter für Astrophysik der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Mitglied der Astronomischen Gesellschaft. Bekannt geworden ist Lesch vor allem durch seine Fernsehauftritte, hauptsächlich als Moderator der von 1998 bis 2007 gelaufenen Sendereihe alpha-Centauri. Seit Sept 2008 ist er Moderator des ZDF-Wissenschaftsmagazins Abenteuer Forschung. Zum Start des Internationalen Jahres der Astronomie 2009 moderierte er im ZDF die zweieinhalbstündige Sondersendung „Wie das Licht in die Welt kam: die Lange Nacht mit Harald Lesch“, in der er − zwischen eingespielten dokumentarischen Filmen – Gespräche mit dem Kabarettisten Christoph Süß, dem Physiker Günther Hasinger und dem Theologen Thomas Schwartz führte. Seit 2009 führt Lesch durch die Terra-X-Reihe Faszination Universum und wird damit Nachfolger von Joachim Bublath. Seit 2010 moderiert Lesch zudem auf ZDFneo die viertelstündige Sendung Leschs Kosmos, die 2013 mit Beginn der zweiten Staffel in ‚Frag den Lesch‘ umbenannt wurde.Außerdem ist er Sachbuchautor. Seine zahlreichen Schriften und Bücher findet man unter anderem in der Wikipedia zusammengestellt: https://de.wikipedia.org/wiki/Harald_Lesch

2. Komplex und klein ‒ die Welt der Elementarteilchen
Prof. Gisela Anton,Universität Erlangen-Nürnberg
10. April 2018
Die Teilchenphysik befasst sich mit der Frage, welche kleinsten Bausteine im Universum existieren und welche Kräfte zwischen den Bausteinen wirken, sodass aus den elementaren Teilchen größere Struk-turen entstehen können. Die Bestandteile dieses Baukastens der Natur, die elementaren Teilchen des sogenannten Standard-Modells der Teilchenphysik, sind im Laufe der zurückliegenden einhundert Jahre entdeckt worden, wobei als letzte große Entdeckung der Nachweis des Higgs-Teilchens am Large Had-ron Collider des CERN in 2012 erfolgte. Ein weiterer Bereich, in dem sich aktuell neue Erkenntnisse über die kleinsten Teilchen entwickeln, ist die Neutrinophysik. Neutrinos sind die leichtesten unter den Elementarteilchen, aber ihre Masse ist ungleich Null und daraus ergeben sich erstaunliche Konsequen-zen wie z.B. die Neutrinooszillationen. Der Vortrag wird einen Einblick in den Stand der Erkenntnisse und einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen der Teilchenphysik geben.

Professorin Dr. Gisela Anton hält den Lehrstuhl für Teilchen- und Astroteilchenphysik an der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Sie studierte an der Universität Bonn und promovierte dort im Jahre 1983. Ihre Forschungsarbeiten befassen sich mit der Teilchenphysikstruktur des Protons und den Eigenschaften der Neutrinos – über die Astroteilchenphysik mit Neutrinoteleskopen bis hin zur Medizinphysik.

3. Atom- und Molekülphysik im Kontext der Entwicklung des Universums
Prof. Dr. Jürgen Stutzki
Universität Köln 17. April 2017
Die atomaren und molekularen Eigenschaften der baryonischen Materie bestimmen auf vielfältige Weise die Energieskalen, die möglichen Reaktionen zwischen Atomkernen, Atomen und Molekülen sowie den Energieaustausch zwischen der Materie und dem Strahlungsfeld und damit die astrophysikalischen Pro-zesse im Universum. Wenn die Atome und Moleküle andere Eigenschaften hätten, sähe das Universum anders aus, als wir es heute sehen. An einigen Beispielen werden diese Zusammenhänge zwischen zufälligen Rahmenbedingungen der Mikrophysik und den sich daraus ergebenden Eigenschaften auf makrophysikalischer Skala erläutert, die die Eigenschaften des Universums bestimmen, wie wir es beobachten.

Professor Dr. Jürgen Stutzki studierte an den Hochschulen in Aachen, München und in Köln Physik, wo er sich im Jahr 1989 habilitierte und die Lehrerlaubnis erhielt. Seit Juni 1990 ist er ordentlicher Professor und Lehrstuhlinhaber am I. Physikalischen Institut der Universität zu Köln. Professors Stutzki Forschungs-schwerpunkte sind die Infrarot- und Molekülastronomie. Unter anderem leitete er bis 2010 das Kölner Ob-servatorium für Submillimeterastronomie (KOSMA) auf dem Gornergrat und ist weltweit bei vielen weiterenradioastronomischen Projekten engagiert wie zum Beispiel CCAT prime und NANTEN. Insbesondere ist er von deutscher Seite an den wissenschaftlichen Beobachtungsflügen des Flugzeugobservatoriums SOFIA beteiligt.

4. Leuchtende und dunkle Strukturen des Kosmos
Prof. Dr. Volker Springel
Universität Heidelberg und HITS
24. April 2018
Galaxien enthalten hunderte Milliarden Sterne und zeigen vielfältige Formen und Größen. Ihre Entste-hung wird durch eine komplexe Mischung verschiedener astrophysikalischer Prozesse bestimmt, in denen Gravitation, Strahlung sowie Hydrodynamik wichtige Rollen spielen und die über große Skalen-bereiche miteinander verknüpft sind. Daneben sind Astrophysiker überzeugt, dass der ganz überwie-gende Teil des Energie- und Materieinhalts des Universums nicht aus gewöhnlicher Materie besteht, sondern von „Dunkler Materie“ und „Dunkler Energie“ dominiert wird. Supercomputer-Simulationen spielen eine entscheidende Rolle bei der Überprüfung dieser gewagt erscheinenden kosmologischen Hy-pothese. Die erstaunliche Leistung heutiger Superrechner ermöglicht es, die vergleichsweise einfachen Anfangsbedingungen, die der Urknall hinterlassen hat, direkt mit dem komplexen, entwickelten Zustand des heutigen Universums zu verknüpfen und so das Leben der Galaxien im Detail nachzuzeichnen. Sie können uns auch dabei helfen, extreme Phänomene wie etwa die Wirkung von superschweren Schwar-zen Löchern auf die kosmische Entwicklung der Galaxien aufzuklären.

Professor Dr. Volker Springel hat in Tübingen und Berkeley Physik studiert, und in Astrophysik an der LMU München im Jahr 2000 promoviert. Er forscht am Heidelberger Institut für Theoretische Studien sowie am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg und ist seit 2010 Professor für Theoretische Astrophysik an der Universität Heidelberg. Er hat sich auf rechnergestützte Astrophysik spezialisiert und arbeitet insbe-sondere auf dem Gebiet der Galaxienentstehung und der Kosmologie. Er wurde für seine Forschungs-arbeiten unter anderem mit der Otto-Hahn Medaille der Max-Planck Gesellschaft, dem Heinz-Maier Leibnitz Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sowie dem Klung-Wilhelmy-Weberbank Preis für Physik aus-gezeichnet. Er ist auch Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

5. Das Universum als Ganzes
Prof. Dr. Claus Kiefer
Universität Köln
8. Mai 2018
Hat das Universum einen Anfang und ein Ende? Hat es räumliche Grenzen? Gibt es eine oder mehrere Welten? In meinem Vortrag will ich versuchen, auf diese Fragen im Rahmen der modernen Physik und Astronomie eine Antwort zu finden. Dabei sind sowohl die theoretische Beschreibung durch Relativitätstheorie und Quantenphysik als auch Beobachtungen und Experimente von Bedeutung. Auf meinem Streifzug durch das Universum als Ganzes begegnen uns so aufregende Dinge wie Dunkle Energie, Dunkle Materie, der Urknall und die Wellenfunktion des Universums. Die Reise führt von gesichertem und etabliertem Wissen hin zu den Grenzen der gegenwärtigen Forschung.

Professsor Dr. Claus Kiefer studierte Physik und Astronomie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und an der Universität Wien. Im Jahre 1988 promovierte er bei Dieter Zeh in Heidelberg über den Zeit-begriff in der Quantengravitation („Das Konzept der inneren Zeit in der kanonischen Quantentheorie der Gravitation“). 1988/9 war er wissenschaftlicher Assistent in Heidelberg, 1989 bis 1993 an der Universität Zürich und 1993 bis 2001 an der Universität Freiburg, wo er sich 1995 bei Hartmann Römer habilitierte, bevor er 2001 Professor für Theoretische Physik an der Universität zu Köln wurde. Er war daneben zu Gastaufenthalten unter anderem am Isaac Newton Institute der Universität Cambridge, 1996 an der Univer-sität Tours, 2004 an der Universität von Montpellier und 1999 am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Im Jahre 1996 wurde er stellvertretender Vorsitzender und 2000 Vorsitzender des Fachverbandes ‚Gravitation und Relativität‘ der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (bis 2004). Seit 1998 sitzt er im Beirat der Annalen der Physik, seit 2010 im Beirat der Zeitschrift Classical and Quantum Gravity (bis 2015) und seit 2014 im Herausgebergremium der Zeitschrift General Relativity and Gravitation. Seit 2009 ist er Mitherausgeber der Reihe Fundamental Theories of Physics des Springer-Verlags.

Professor Dr. Claus Kiefer ist der Autor mehrerer populärwissenschaftlicher, wissenschaftlich exakter Bücher, unter anderem zur Einführung in die Quantentheorie und Gravitationsphysik, und eines Fachbuchsüber Quantengravitation. 2009 gewann er für seinen Essay „Does time exist in quantum gravity?“ einen zweiten Preis des Foundational Questions Institute, USA. 2010 wurde er als ordentliches Mitglied in die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste gewählt. 2012 erhielt er den ersten Preis der Gravity Research Foundation für den Aufsatz „Can Effects of Quantum Gravity Be Observed in the Cosmic Microwave Background?“ (gemeinsam mit Manuel Krämer). 2013 wurde er mit dem Hanno und Ruth Roelin-Preis für Wissenschaftspublizistik ausgezeichnet. Von 2012 bis 2014 war er Vorstandsmitglied für Öffentlichkeitsarbeit in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

6. Der Mensch zwischen Mikro- und Makrokosmos
Prof. Dr. Hans-Joachim Blome
FH Aachen
15. Mai 2018
Wir sind Kinder des Weltalls, denn die Materie unseres Körpers entstammt den Sternen und dem Urknall. Am Anfang des Kosmos gab es weder Atome noch Moleküle, aus denen wir bestehen, sondern sie entstanden erst im Laufe der Jahrmilliarden im Innern der Sterne aus dem anfangs allein vorhandenen Wasserstoff und Helium. Bei zahllosen Supernovaeexplosionen sind die schweren Elemente in den Kosmos freigesetzt worden, eine Grundvoraussetzung für die Entstehung von Planetensystemen samt der Entwicklung von Leben auf unserer Erde oder auf einem anderen extrasolaren Planeten. Wir leben auf der kosmischen Oase Erde. Der Mindestaufwand für ihre Entstehung war der heute bis in ferne extragalaktische Entfernungen reichende Kosmos. Zugänglich ist der Makrokosmos nur mit Teleskopen und Detektoren für die Informationsträger Elektromagnetische Strahlung, Gravitationswellen, Neutrinos und kosmische Partikel. Astronautischen Expeditionen jenseits des Mars in den interstellaren Raum unserer Galaxis sind durch Naturgesetze und die befristete menschliche Lebenszeit Grenzen gesetzt. Auch in die Welt der Atome und Elementarteilchen kann der Mensch nicht direkt eindringen, sondern (sub-) atomare Objekte und Strukturen lassen sich erst mit Hilfe von Rastertunnelmikroskopen und Teilchenbeschleunigern erkennen. Unsere Lebenswelt, der „Mesokosmos“ kleiner Geschwindigkeiten, schwacher Gravitationsfelder und berührbarer Materie, wird beschrieben durch die klassische Physik. Die Quantentheorie und die Relativitätstheorie haben aber gezeigt, dass die Begriffe und Naturgesetze des Mesokosmos unzulänglich sind für ein Verständnis der atomaren und extragalaktischen Realität. Das sich der Mensch in die extragalaktischen und (sub-) atomaren Bereiche des Kosmos instrumentell und begrifflich vorarbeiten konnte, ist eine der erstaunlichsten Leistungen in einem seit der Zeit von Kepler, Galilei und Newton bis heute andauernden Prozess. Hoimar von Ditfurth formulierte es so: Naturwissenschaft lässt sich auch definieren als jener Prozess, der es dem Menschen möglich macht, sich von einer anthropozentrischen Weltbetrachtung zu befreien.

Professor Dr. Hans-Joachim Blome war langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Astro-physik der Universität Bonn und beim DLR. Seit 1999 lehrt und forscht er als Professor an der Fachhoch-schule Aachen im Fachbereich der Raumfahrttechnik. Seine Arbeitsgebiete sind die Gravitationsphysik, Raumflugdynamik und Kosmologie. Professor Blome hat zahlreiche wissenschaftliche und populäre Veröf-fentlichungenaufdiesemGebietverfasstwie“DerUrknall“vonBlome/Zaun,erschienenimC.H.Beck-Verlag.