DLR-ASTROSEMINAR 2010

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DLR-ASTROSEMINAR 2010
13. April – 18. Mai 2010
jeweils dienstags 15:30 – 17:00 Uhr
im Casino des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz
»Astronomie im Fadenkreuz der Wissenschaften«
Bild: DLR
Programminhalt und Vortragsmoderation in Verantwortung von Dr. Manfred Gaida (Ruf: 0228 / 447-417)
Di, 13. 4. 2010 1. Ohne Rechnen geht es nicht – über die Rolle
der Mathematik in der Himmelskunde
Dr. habil. Oliver Montenbruck, DLR Oberpfaffenhofen
Di, 20. 4. 2010 2. Wie aus der Physik die Astrophysik entstand Prof. Dr. Hans-Joachim Blome, FH Aachen
Di, 27. 4. 2010 3. Ingenieurkunst am Teleskop – das Bindeglied
zwischen Natur und Wissen
Dr. habil. Markus Kissler-Patig, ESO Garching
Di,   4. 5. 2010 4. Astrochemie – die junge Schwester der Astrophysik Prof. Dr. Stephan Schlemmer, Universität zu Köln
Di, 11. 5. 2010 5. Naturwissenschaft im Austausch mit Philosophie
und Theologie
Prof. Dr. Harald Lesch, Universität München
Di, 18. 5. 2010 6. Der Kosmos als Kunstwerk – wie Künstlersinne
das All begreifen
Prof. Dr. Claus Grupen, Universität Siegen
1.  Ohne Rechnen geht es nicht –
über die Rolle der Mathematik in der Himmelskunde
Dr. habil. Oliver Montenbruck, DLR / GSOC
Dienstag, 13. April 2010, 15:30 – 17:00 Uhr
Blickt man an einem lauen Sommerabend zum Himmel und lässt sich vom Funkeln der Sterne, dem Mond als nächstem Trabanten oder einer Sternschnuppe verzaubern, dann werden die meisten von uns wohl anderes im Kopf haben, als Formeln und mathematische Gesetze. Und doch repräsentiert die Mathematik über hunderte, ja tausende von Jahren hinweg diejenige Wissenschaft, die am engsten mit der Astronomie verbunden war und viel dazu beigetragen hat, die Astronomie selbst zur Wissenschaft zu machen.
Das Interesse der Menschen, Gesetzmäßigkeiten in der Bewegung und Veränderung des gestirnten Himmels zu erfassen und vorherzusagen, ging unmittelbar einher mit mathematischen Beschreibungen, deren Güte im Laufe der Zeit verfeinert und den verbesserten Beobachtungsmethoden angepasst wurde. Angefangen bei der Aufstellung von Kalendern und der Formulierung von Finsterniszyklen, über die empirische Beschreibung der Wandelsterne mittels Epizyklen bis hin zur Formulierung der Planetenbahnen als elliptische Bahnen um die Sonne wäre ein Fortschritt in der Erkenntnis ohne mathematische Werkzeuge kaum denkbar. Aber auch nach dem Einzug der Physik als erklärender Wissenschaft blieb die Mathematik weiterhin unverzichtbares Hilfsmittel für die Himmelsmechanik und hat sich zum Teil gemeinsam mit ihr weiterentwickelt. Die numerische Integration von Kometenbahnen, die Ausgleichung von Asteroidenbahnen nach der Methode der kleinsten Quadrate und schließlich die Vorhersage eines achten Planeten aus den Bahnstörungen seiner Nachbarn sind triumphale Erfolge der Astronomie im 18. und 19. Jahrhundert, die „ohne Rechnen” eben nicht möglich gewesen wären.
Der Vortrag beleuchtet diese langjährige Symbiose von Mathematik und Astronomie und würdigt die Leistungen von Forschern wie Kepler, Gauß und Leverrier anhand ausgewählter Arbeiten und Ergebnisse.
Zum Referenten:
Dr. Oliver Montenbruck ist seit über zwanzig Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter am Raumflugkontrollzentrum (GSOC) des DLR in Oberpfaffenhofen. Sein Interesse galt bereits früh der sphärischen Astronomie und Himmelsmechanik, und er ist vielen Amateurastronomen durch seine Bücher und die Mitarbeit an Ahnerts Astronomischen Jahrbuch bekannt. Beruflich bildete über viele Jahre die Bahnbestimmung und Kontrolle von Satelliten im niedrigen und geostationären Erdorbit einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Derzeit leitet er eine Arbeitsgruppe am GSOC, die sich mit der Anwendung von Satellitennavigationssystemen im Weltraum befasst. Hierzu zählen die Entwicklung kostengünstiger, weltraumtauglicher GPS-Empfänger ebenso wie die hochpräzise Bahnbestimmung oder der kontrollierte Formationsflug mehrerer Satelliten. Oliver Montenbruck schloss 1987 sein Studium der Physik an der Ludwig-Maximilians Universität München ab, promovierte 1991 und habilitierte sich 2006 im Fachgebiet Raumflugführung an der Technischen Universität München. Seit 2004 ist er dort als auch Lehrbeauftragter mit Vorlesungen und Übungen zur Satellitennavigation tätig.
2.  Wie aus der Physik die Astrophysik entstand
Prof. Dr. Hans-Joachim Blome, Fachhochschule Aachen
Dienstag, 20. April 2010, 15:30 – 17:00 Uhr
Die Anwendung der lokal gefundenen Naturgesetze auf die extraterrestrische Realität, die die Fernrohre der Astronomen ans Licht bringen, führt zur Astrophysik. Beobachtungen werden erst sinnvoll durch ihre Deutung im Licht physikalischer Theorie, und Theorien haben nur ihren Wert, wenn sie nachprüfbar sind. Dieses Wechselspiel hat im Laufe des 20. Jahrhunderts unser Verständnis des Universums vertieft. So entschleierte die Gravitationsphysik, Thermodynamik und die Quantentheorie der Atomkerne die Energiequelle der Sterne und machte die Berechnung der Sternentwicklung möglich. Atomphysik und Quantenmechanik ermöglichen die Deutung der Sternspektren und sind Grundlage der Physik der Sternatmosphären. Schließlich sind die Allgemeine Relativitätstheorie und die Physik der subatomaren Teilchen die Grundlage zum Verständnis von Neutronensternen und weißen Zwergen und liefern den Rahmen für unser derzeitiges Verständnis von Schwarzen Löchern und der kosmischen Evolution. Der Vortrag fasst die durch die Physik ermöglichte Sicht der kosmischen Wirklichkeit zusammen und ordnet die allmähliche Entwicklung dieses astrophysikalischen Weltbildes in die allgemeine Kulturgeschichte ein.
Zum Referenten:
Prof. Dr. Hans-Joachim Blome war langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Astrophysik der Universität Bonn und beim DLR. Seit 1999 lehrt und forscht er als Professor an der Fachhochschule Aachen im Fachbereich der Raumfahrttechnik. Seine Arbeitsgebiete sind die Gravitationsphysik, Raumflugdynamik und Kosmologie. Professor Blome hat zahlreiche wissenschaftliche und populäre Veröffentlichungen auf diesem Gebiet verfasst wie „Der Urknall” von Blome / Zaun, erschienen im C.H. Beck-Verlag.
3.  Ingenieurkunst am Teleskop –
das Bindeglied zwischen Natur und Wissen
Dr. habil. Markus Kissler-Patig, ESO Garching
Dienstag, 27. April 2010
Vor 400 Jahren wurde das Fernrohr erfunden und kurz darauf von Galileo auf den Himmel gerichtet. Damit erschloss sich ein vollkommen neues Weltbild. Seitdem wurden Teleskope stets verbessert und mit jedem Schritt wurden auch neue, revolutionäre Entdeckungen gemacht.
Der Vortrag wird die Geschichte des Teleskops durch vier Jahrhunderte erzählen, mit speziellem Blick auf die Technik und die Ingenieure, die den Fortschritt erst ermöglicht haben. Die daraus folgenden Beobachtungen und unser verändertes Weltbild wird im historischen Kontext beschrieben. Enden werden wir mit dem letzten Jahrzehnt: der Entdeckung fremder Welten außerhalb unseres Sonnensystems und den laufenden Vorbereitungen zum nächsten Schritt: die Suche nach Leben auf fremden Planeten und die Antwort auf die Frage: sind wir alleine im Universum?
Zum Referenten:
Dr. habil. Markus Kissler-Patig ist seit zehn Jahren am European Southern Observatory (ESO) tätig. Seit 2007 ist er der wissenschaftliche Leiter des European Extremely Large Telescope, das mit 42m Durchmesser das größte optische Teleskop sein wird, dass die Menschheit bis dato jemals gebaut hat. Zuvor hat Dr. Kissler-Patig Kameras für das Very Large Telescope (VLT) der ESO entwickelt und viele hundert Nächte in der Atacama-Wüste verbracht. Dr. Kissler-Patig ist in der Schweiz und Frankreich aufgewachsen, bevor er Physik und Astronomie in Bonn studierte. Nach seiner Promotion 1997 hat er in Kalifornien für die University of California Observatories im Auftrag der NASA gearbeitet, bevor er es ihn wieder nach Europa zu der ESO gezogen hat. Dr. Kissler-Patig war Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft und erhielt 1999 den Ludwig-Biermann-Preis der Astronomischen Gesellschaft. Seine wissenschaftlichen Interessen liegen in der Erforschung der Galaxienentstehung und -entwicklung sowie in der Untersuchung von Schwarzen Löchern in Sternhaufen.
4.  Astrochemie – die junge Schwester der Astrophysik
Prof. Dr. Stephan Schlemmer, Universität zu Köln
Dienstag, 4. Mai 2010, 15:30 – 17:00 Uhr
Vorläufiger Ankündigungstext: Die Erforschung des interstellaren Mediums im Infraroten und Submillimeter-Wellenlängenbereich hat uns zunehmend die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Molekülen unter extremen laborfremden Bedingungen enthüllt. So finden wir in Lichtjahre weit entfernten riesig ausgedehnten Molekül- und Staubwolken viele molekulare Vorstufen für Lebensvorgänge, wie wir sie bislang nur von der Erde her kennen. Die junge Schwester der Astrophysik, die Astrochemie, ist daher auch unverzichtbar bei der Suche nach Lebenssignaturen im All, wie man sie künftig in den Atmosphären von Exoplaneten zu finden hofft.
Zum Referenten:
Prof. Dr. Stephan Schlemmer studierte an den Hochschulen in Wuppertal und in Göttingen Physik (Promotion 1991). Nach einem mehrjährigen Forschungsaufenthalt an der University of California, Berkeley, arbeitete er an der Technischen Universität Chemnitz (Habilitation 2001). 2003 folgte er einem Ruf an die Sternwarte der Universität Leiden und seit 2004 leitet er die Abteilung Laborastrophysik am I. Physikalischen Institut der Universität zu Köln. Professor Schlemmers Forschungsschwerpunkte sind die Molekülphysik, die Grundlagen chemischer Reaktionen und die Laborastrophysik, in der astrophysikalische Bedingungen im Labor simuliert werden.
5.  Naturwissenschaft im Austausch mit Philosophie und Theologie
Prof. Dr. Harald Lesch, Universität München
Dienstag, 11. Mai 2010, 15:30 – 17:00 Uhr
Was ist die Welt? Diese sehr fundamentale Frage wird von den drei beteiligten Dialogpartnern auf höchst unterschiedliche Weise beantwortet. Für die Theologie steht die Antwort zunächst fest: Die Welt ist von Gott geschaffen und ihr Inhalt entstand und vollzieht sich nach von Gott geschaffenen Naturgesetzen.
Für die Philosophie steht zunächst die Gegenfrage im Vordergrund, was denn mit dem Wort Welt eigentlich gemeint sei. Die Naturwissenschaften gehen von dem Grundsatz aus, dass es in der Welt mit rechten Dingen zugeht, und sie deshalb auch grundsätzlich mittels des Verfahrens „Versuch und Irrtumsbeseitigung” im Wechselspiel von Hypothesen und Experimenten zu untersuchen ist. Ausgehend von diesen drei Standpunkten wird der nunmehr 400jährige Diskurs ausgebreitet und vorgestellt.
Zum Referenten:
Prof. Dr. Harald Lesch, vielen bekannt vor allem durch seine Fernsehreihe bei Alpha Centauri (BR), hat in Giessen und Bonn Physik studiert und 1987 an der Universität Bonn promoviert. Danach folgten mehrjährige Forschungsaufenthalte an der Landessternwarte Königstuhl in Heidelberg und am MPI für Radioastronomie in Bonn, wo er sich 1994 auf dem Gebiet der galaktischen Dynamik und Magnetfelder habilitierte. Seit August 1995 ist Harald Lesch Professor für Theoretische Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ferner seit 2002 mit Lehre beauftragter Professor für Naturphilosophie an der jesuitischen Hochschule für Philosophie in München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Relativistische Plasmaphysik, Schwarze Löcher und Pulsare, Bio-Astronomie sowie Fragen nach den philosophischen Konsequenzen physikalischer Theorien (Naturphilosophie). Professor Lesch erhielt für seine Arbeiten in Wissenschaft und Publizistik zahlreiche Preise und Ehrungen, unter anderem die Otto-Hahn-Medaille der MPG, den Bennigsen-Förder-Preis des Landes Nordrhein-Westfalen, den Communicator-Preis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und der DFG sowie eine Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Seit 2008 ist er Moderator der bekannten Wissenschaftssendung „Abenteuer Forschung” beim ZDF. Bücher von ihm sind u.a.: „Kosmologie für Fußgänger” (zusammen mit Dr. Jörn Müller), „Kosmologie für helle Köpfe” (ebenfalls mit Dr. Jörn Müller), beide erschienen im Goldmann-Verlag, „Big Bang 2. Akt” und „Weißt du wie viel Sterne stehen”, beide im Bertelsmann-Verlag erschienen und beide wiederum mit Dr. Jörn Müller, „Physik für die Westentasche” sowie „Die kürzeste Geschichte allen Lebens” (zusammen mit Dr. Harald Zaun), beide erschienen im Piper-Verlag.
6.  Der Kosmos als Kunstwerk – wie Künstlersinne das All begreifen
Prof. Dr. Claus Grupen, Universität Siegen
Dienstag, 18. Mai 2010, 15:30 – 17:00 Uhr
Der Einfluss der Sonne, des Mondes und der Kometen auf den Menschen wurde in vielen Kulturen in göttlichem oder kultischem Zusammenhang gesehen. Die künstlerischen Darstellungen dieser Himmelskörper wurden vor dem 19. Jahrhundert aber nicht von der Wissenschaft inspiriert. Heutzutage dagegen sind die Errungenschaften der Wissenschaft in aller Munde. Sie werden durch die Medien schnell und wirkungsvoll verbreitet. Das dramatische Anwachsen der Popularisierung von wissenschaftlichen Ergebnissen hat die Kunst stark beeinflusst. Hier sind es insbesondere die Astronomie und Kosmologie, aber auch die Quanten- und Elementarteilchenphysik die Ideengeber für die bildende Kunst, aber auch für die Dichtung und Musik sind. So hat die im viel beachteten Buch „The Elegant Universe” von Brian Green dargestellte Harmonia Mundi viele Künstler zu bildnerischen Darstellungen der Vorgänge im Universum angeregt. Im Vortrag sollen die Manifestationen der Wissenschaft in den Bildern von Vincent van Gogh, Paul Klee, Wassily Kandinsky, Joan Miro, Salvador Dali, Piet Mondrian und vielen anderen modernen Malern beispielhaft aufgezeigt werden.
Zum Referenten:
Prof. Dr. Claus Grupen studierte Mathematik und Physik an der Universität Kiel und promovierte dort 1970 in Physik mit einem Thema aus der kosmischen Strahlung. Nach einem längeren Gastaufenthalt an der University of Durham (England) wechselte er in die Beschleunigerphysik und arbeitete am Deutschen Elektronensynchrotron DESY in Hamburg und am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf auf dem Gebiet der Elektron-Positron-Wechselwirkungen. Nach seiner Habilitation im Jahre 1975 ist er seit 1980 Professor an der Universität Siegen. Es folgten einige Aufenthalte als Gastprofessor an der University of Tokyo. 1995 erhielt er als Mitglied der PLUTO-Kollaboration von der Europäischen Physikalischen Gesellschaft den „Special High Energy and Particle Physics Prize” für die Entdeckung des Gluons. Seit 2000 beschäftigt er sich wieder mehr mit Astroteilchenphysik im Rahmen des KASCADE-Grande Experiments (Messung von ausgedehnten Luftschauern) am Forschungszentrum Karlsruhe. Nach seiner Emeritierung im Jahre 2006 hat er angefangen, seine Lehr- und Fachbücher mit Cartoons zu illustrieren.

Programminhalt und Vortragsmoderation in Verantwortung von Dr. Manfred Gaida (Ruf: 0228 / 447-417)

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