Sternentstehung: Zündung der Kernfusion

Im vorherigen Beitrag der Reihe über die Sternentstehung wurden die Vorgänge zur Bildung eines sog. Protosterns beschrieben – also eines Zustandes der sich aufheizenden und verdichtenden interstellaren Gaswolke, in dem noch keine Kernfusion gestartet ist.

Fortschreitende Aufheizung der Gaswolke

Die Kontraktion der Gaswolke schreitet dabei ungebremst fort. Das Gas wird durch die Umwandlung von gravitativer in thermische Energie der Gasteilchen (sprich: Wärme) immer dichter und heißer. Das Gas besteht mehr und mehr aus Wasserstoffatomen und Wasserstoffionen (also freien Protonen). Die Stöße zwischen den Gasteilchen werden aufgrund der höheren Geschwindigkeiten immer heftiger und aufgrund der wachsenden Dichte auch immer häufiger. Es gibt zwar noch einen kurzzeitigen Kühlungseffekt durch die Zerlegung von Molekülen und das Herausschlagen von Elektronen aus den Atomhüllen, was Energie benötigt, die aus der thermischen Energie abgezogen wird. Diese Energie wird aber nicht mehr wie am Anfang der Kontraktion in die Umgebung der Gaswolke abgegeben.

Beginn und Ablauf der Kernfusion

Irgendwann ist die kinetische Energie der Gasteilchen so groß, dass sich Atomkerne beim Stoß trotz der Coulomb-Abstoßung so nahe kommen, dass die anziehende Starke Kernkraft größer wird als die abstoßende Coulombkraft: der Energieberg der Coulomb-Abstoßung kann durch den Schwung der stoßenden Kerne überwunden werden. Es kommt zur Kernfusion, also zur Verschmelzung von Atomkernen. Dabei wird sehr viel Bindungsenergie frei, weil bei der weiteren Annäherung der Kerne aufgrund der Starken Kernkraft die potentielle Energie der Nukleonen stark erniedrigt wird.

Potentialkurve sich annähernder Atomkerne

Schematische Darstellung der potentiellen Energie in Abhängigkeit vom Abstand der Atomkerne. Die kinetische Energie der Atomkerne muss größer als die Coulomb-Barriere sein, damit das Energieminimum bei kleinen Kernabständen erreicht werden kann und eine Kernfusion stattfindet.

Die Kernfusion findet am leichtesten mit Wasserstoffkernen statt, die nur ein Proton enthalten. Atomkerne anderer Elemente besitzen mehr Protonen und damit eine größere elektrische Ladung, was gemäß Coulomb-Gesetz die Abstoßung deutlich erhöht. Bei der Verschmelzung von zwei Heliumkernen mit jeweils 2 Protonen (und zwei neutralen Neutronen) ist die Coulomb-Abstoßung viermal höher als bei zwei Wasserstoffkernen. Und bei Kohlenstoff- (6 Protonen pro Kern) oder Sauerstoffkernen (8 Protonen pro Kern) ist die Abstoßung noch viel größer.

Deshalb und weil ohnehin Wasserstoff der Hauptbestandteil der interstellaren Gaswolken ist, speist sich die Energiegewinnung bei der Zündung der Kernfusion aus der Verschmelzung von Wasserstoff zu Heliumkernen, die jeweils zwei Protonen und Neutronen enthalten. Doch halt! Wo kommen die beiden Neutronen her? Hier wird es ein wenig komplizierter.

Mechanismus der Wasserstofffusion zu Helium-4

Schematische Darstellung des Hauptwegs zur Bildung von Helium-4 Kernen durch Fusion von 4 Wasserstoffkernen (Protonen): 3 Protonen verschmelzen zu einem Helium-3 Kern unter Aussendung eines Positrons, eines Elektronneutrinos und eines Gamma-Quants. 2 Helium-3 Kerne fusionieren im zweiten Schritt zu Helium-4, wobei 2 Protonen wieder frei gesetzt werden.

Zwei Protonen können nicht einfach zu einem doppelt positiv geladenen Kern verschmelzen. Statt dessen wird ein Proton unter Aussendung eines Positrons (ein positiv geladenes Elektron) und eines Neutrinos in ein Neutron umgewandelt. Die Entstehung eines Positrons sorgt für die Erhaltung der Gesamtladung, da eine positive Einheitsladung bei der Umwandlung eines Protons in ein Neutron wegen des Erhaltungssatzes der elektrischen Ladung kompensiert werden muss. Es resultiert ein Deuteriumkern mit einem Proton und einem Neutron. Das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons. In der dichter gewordenen Gaswolke trifft es nach kurzer Flugstrecke auf eines der reichlich vorhandenen Elektronen. Beim Zusammentreffen werden beide vernichtet, wobei sich ihre Masse gemäß der berühmten Einstein’schen Formel E = m c2 in Lichtenergie verwandelt und als Gamma-Quant ausgesendet wird. Das Neutrino fliegt ungehindert aus der Gaswolke hinaus. Denn Neutrinos haben so gut wie keine Wechselwirkung mit normaler Materie. Der Neutrinofluss der Sonne durch die Erde beträgt ca. 6,5*1010 Neutrinos pro cm2 und Sekunde. D.h. ein Mensch wird jede Sekunde von mehr als 1013 Neutrinos durchflogen ohne etwas davon zu merken. Mehr noch: man merkt nicht nur nichts, es findet auch keinerlei Wechselwirkung und damit Beeinflussung des Menschen durch die Neutrinos statt. Der Durchflug der Neutrinos ist also völlig ungefährlich.

Die davon fliegenden Neutrinos „entführen“ ca. 2 % der bei der Kernfusion frei werdenden Energie aus der Gaswolke. Die Gamma-Quanten werden nach kurzer Flugstrecke von der Gasmaterie absorbiert und in verschiedenen Reaktionsfolgen in thermische Energie – sprich Wärme – verwandelt.

Die bei der Verschmelzung gebildeten Deuteriumkerne fusionieren mit einem weiteren Proton unter Aussendung eines Gamma-Quants zu einem Heliumkern. Der enthält allerdings neben zwei Protonen nur ein Neutron: Helium-3. Zum finalen Helium-4 fehlt noch ein Neutron. Dies entsteht, wenn zwei Helium-3 Kerne mit ausreichender kinetischer Energie zusammenstoßen. Dann werden zwei Protonen aus den Kernen geschleudert und es bleibt ein Helium-4 Kern zurück. Wie gesagt: ein ziemlich komplizierter Prozess. In Wahrheit gibt es noch ein paar andere Wege zur Produktion von Helium-4. In unserer Sonne tragen sie nur wenig zur gesamten Energieproduktion bei; in anderen Sternen können diese Vorgänge aber von erheblicher Wichtigkeit sein.

Fazit

Alles in allem werden 4 Protonen (Wasserstoffkerne) in einen Helium-4 Kern umgewandelt, wobei je zwei Elektron-Neutrinos, zwei Positronen und zwei Gamma-Quanten ausgesandt werden. Dabei wird eine Energie von 26,73 MeV (Megaelektronenvolt) freigesetzt , was dem millionenfachen der Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser – einer der energiereichsten chemischen Reaktionen – entspricht.

Zum Abschluss unserer kurzen Reihe zur Sternentstehung, beschäftigen wir uns im nächsten Beitrag mit der Frage, wieso ein Stern nach seiner Entstehung stabil bleiben kann bzw. wie lange er stabil bleibt.

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